Kontakt / contact     Hauptseite / page
                principale / pagina principal / home     zurück / retour / indietro / atrás / back
ENGL - ESP  
<<         >>

Museum der Primärnationen (Nordamerika Native Museum, "Indianermuseum") Zürich

3. Der Maler Karl Bodmer: Malereien über Mandan- und Hidatsa-Primärnationen

Karl Bodmer, zwei Ureinwohner der
              Mandan-Primärnation
Karl Bodmer, zwei Ureinwohner der Mandan-Primärnation

präsentiert von Michael Palomino (2012)


Teilen:

Facebook






aus:
Prestel-Museumsführer, Text von Denise Daenzer und Tina Wodiunig: Indianermuseum der Stadt Zürich; Prestel-Verlag; München, New York 1996; gefördert durch die Cassinelli-Vogel-Stiftung, Zürich, MIGROS Kulturprozent, Volkart-Stiftung, Winterthur; ISBN 3-7913-1635-4


Der Maler der Primärnationen Karl Bodmer

[1832: Karl Bodmer soll auf eine Reise nach Boston]

[Ein deutscher Prinz berichtet einem Mitglied der Zürcher Oberschicht]:

"Vor ein paar Tagen habe ich Nachricht aus Rotterdam erhalten, dass daselbst ein schönes, amerikanisches Schiff zur Abreise in wenigen Tagen bereit liege und nach Boston bestimmt sei, mit diesem werde ich wohl reisen. Ich weiss nicht, ob ich Ihnen schon gesagt habe, dass Herr Bodmer aus Zürich mich begleiten wird. Er wird gewiss einen schönen Carton von Zeichnungen liefern. In Thierzeichnungen war er zwar nicht sehr bewandert, allein seinen Proben gemäss scheint es, dass er zeichnen könne, was ich ihm anbiete."

Prinz
                      Maximilian zu Wied Neuwied, Portrait
Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied, Portrait [1]

Karl
                      Bodmer, Profil, 1877
Karl Bodmer, Profil, 1877 [2]

[Karl Bodmer - Reise mit Prinz Maximilian zu Wied]

Diese Zeilen schrieb im April 1832 Prinz Maximilian zu Wied (1782-1867) an Heinrich Rudolf Schinz, einen Zürcher Gelehrten und späteren Extraordinarius für Naturgeschichte an der Universität Zürich. Beim erwähnten "Herrn Bodmer" handelte es sich um den am 11. Februar 1809 in Zürich geborenen Karl Bodmer, der aus einer Weber- und Baumwollhändlerfamilie stammte und seine künstlerische Ausbildung bei seinem Onkel Johann Jakob Meier erhielt, einem Schüler von Heinrich Füssli, dem damals wohl berühmtesten schweizer Maler. Sobald sich auch der junge Bodmer als Maler und Zeichner einen Namen gemacht hatte, wurde Prinz Maximilian auf ihn aufmerksam. Der preussische Aristokrat hatte sich schon seit seiner Jugend für Naturgeschichte begeistert und - angeregt durch eine Begegnung mit dem grossen Geographen und Forscher Alexander von Humboldt - zwischen 1815 und 1817 Brasilien bereist. [Nach den Napoleonischen Kriegen nach 1815 lag Europa in Schutt und Trümmern, aber er ging für zwei Jahre nach Brasilien...]


Karl Bodmer,
                      Plattformbestattung eines Sioux-Häuptlings
Karl Bodmer, Plattformbestattung eines Sioux-Häuptlings

Die Plattformbestattung war eine Erstbestattung. Wie die Baumbestattung wurde sie angewandt, um die in Felle und Tücher gehüllte Leiche vor Raubtieren zu schützen. Erst nach zwei bis drei Jahren wurde die inzwischen mumifizierte Leiche vom Gerüst genommen und im Rahmen einer erneuten Zeremonie in der Erde beigesetzt. Es gab aber auch Stämme, die ihre Toten direkt in der Erde bestattet haben.


[Die Dezimierung der Primärnationen ist bereits im Gange]

Seine zweite Fahrt in die Neue Welt (1832-1834) führte Maximilian und seine Begleitung - zu der neben dem jungen Bodmer auch ein Mann namens Dreidoppel gehörte, der dem Prinzen als Förster und Jäger diente - zu den Indianern am oberen Missouri. Deren farbenprächtige Kleider, eigenartige Waffen und geheimnisvolle Rituale, die bisher kaum je ein Weisser mit eigenen Augen gesehen hatte, waren den drei Reisenden nur vom Hörensagen bekannt. Allerdings hatten sie auch von den grausamen Kämpfen mit den weissen Siedlern erfahren, von verheerenden Verwüstungen und den von den Weissen eingeschleppten Krankheiten. Noch bevölkerten etwa zwei Millionen Indianer die westlichen Prärien Nordamerikas, doch zeichnete es sich schon damals ab, dass ihre Kultur kaum überleben würde.

[Der weisse Mann ohne Bewusstsein für Mutter Erde zerstörte das Wissen und die Ureinwohnerkulturen - vor allem durch die Spekulationen an der Börse und falsche Werbung zur Auswanderung aus Europa. Es wurde "leeres Land" behauptet. An der Börse zählten die Ureinwohner nicht, wurden nicht erwähnt und waren weniger Wert als die schwarzen Sklaven. DAS war die Mentalität der Bosse der Kolonialfirmen im Komitee der 300 in London. Alles zerstören, alles töten, alles besiedeln - im Namen eines verrückten Fantasie-Jesus und eines Spinner-Fantasie-Gott aus Rom - eines der grössten Verbrechen der Weltgeschichte].

Karl Bodmer war nicht der einzige Maler jener Zeit, der der Nachwelt ein Bild vom Leben der nordamerikanischen Ureinwohner zu überliefern suchte. Auch der schweizer Peter Rindlisbacher, der mit seinen Eltern aus dem Emmental nach Kanada ausgewandert war, und der Amerikaner George Catlin, der sich als Kritiker der weissen Reservatspolitik viele Feinde schuf, dokumentierten mit ihren Illustrationen indianische Gesellschaften und Kulturen.

[Fahrt bis Fort McKenzie - Aufenthalt mit Primärnationen der Mandan und Hidatsa]

Mit der Yellowstone, eine alten Pelzhändlerschiff, fuhr der Prinz mit seinen Begleitern über den Ohio und den Mississippi in den Missouri und diesen flussaufwärts Richtung Norden. Und jedesmal, wenn das Schiff halt machte, weil Nachschub an Brennholz und Proviant benötigt wurde, durchstreifte das Trio die Umgebung, um interessante Pflanzen und Steine zu sammeln und Kontakt zu den Bewohnern zu suchen, wobei Bodmer vorwiegend mit Skizzieren und Zeichnen beschäftigt war. Nach einer Fahrt von 75 Tagen gelangte man nach Fort Union, dem wichtigsten Umschlagplatz der Pelzhandelsgesellschaften. Die Weiterreise, für die man auf ein kleineres Schiff umsteigen musste, führte durch eine einsame und zerklüftete Flusslandschaft. Da der Wind nur selten so kräftig wehte, dass die Segel gesetzt werden konnten, musste das Boot immer wieder an Seilen gezogen oder mit Stangen gestossen werden. So wurde die nächste Station erst nach 34 Tagen erreicht - es war das kleine Blockhüttendorf Fort McKenzie, wo die Reisegruppe für mehrere Wochen Quartier bezog.

Karl Bodmer, Fort
                        Pierre am Missouri
Karl Bodmer, Fort Pierre am Missouri

Sicht auf Fort Pierre am Missouri. An dieser Stelle des Flusses musste Prinz Maximilian mit seinen beiden Begleitern das Pelzhändlerschiff Yellowstone verlassen, da dieses mit der zugeladenen Fracht - darunter 7000 Bisonfelle - nach St. Louis zurückkehrte.


Den ursprünglichen Plan, den Missouri noch weiter hinauf bis zu den Rocky Mountains zu fahren, um dort den Winter zu verbringen, mussten der Prinz und seine Begleiter auf halber Strecke aufgeben, da die Reise durch Feindseligkeiten zwischen den [Primärnationen der] Blackfoot und den Assiniboin zu gefährlich geworden war. So entschloss man sich umzukehren und das Winterlager im südlicheren Fort Clark aufzuschlagen. In den folgenden Monaten hatten Maximilian und Bodmer Gelegenheit, sich eingehend mit dem Leben der in dieser Region ansässigen Mandan und Hidatsa zu beschäftigen.

Karl Bodmer, zwei Ureinwohner der
                          Mandan-Primärnation
vergrössernKarl Bodmer, zwei Ureinwohner der Mandan-Primärnation

Schnell hatte es sich unter den Mandan herumgesprochen, dass Maximilian zu Wied und Karl Bodmer nur gekommen waren, um ihr Volk kennenzulernen und zu zeichnen. Teils mit Staunen, teils mit Skepsis und Angst betrachteten sie die fertigen Bilder. Bodmer schloss Freundschaft mit dem gleichaltrigen Sih-Chida (Gelbe Feder), dem Sohn eines verstorbenen Mandan-Häuptlings. Die beiden jungen Männern unternahmen häufig gemeinsame Exkursionen, doch am liebsten sass Sih-Chida am Abend bei Bodmer und versuchte mit dessen Hilfe, Bilder aus seinem Leben darzustellen. Einige seiner Zeichnungen sind heute im Besitz der Sammlung der Northern Natural Gas Co. in Omah [am Missouri östlich von Chicago].
x
Karl Bodmer, Mandan-Ureinwohner in einem
                          Erdhaus
vergrössernKarl Bodmer, Mandan-Ureinwohner in einem Erdhaus

Wir verdanken Karl Bodmer die einzige authentische Darstellung vom Innern eines Mandan-Erdhauses. Den etwas vertieft liegenden Wohnraum erreichte man durch einen kurzen Eingangstunnel. Hinter der Tür aus einem fellbespannten Rahmen war als Windschutz eine Wand mit Weidenzweigen errichtet. In der Mitte des Raumes befand sich eine mit Steinen ausgelegte Feuerstelle, in der Dachkuppel die Rauchöffnung [war auch die einzige Fensteröffnung des Hauses], die bei schlechtem Wetter mit dem darübergelegten Bullboot [rundes Flussboot] geschlossen wurde. Oft nahm man auch die Pferde ins Innere des Hauses, um sie vor Kälte und Diebstahl zu schützen.



Karl Bodmer, Pferderennen in der Region
                          von Fort Pierre
vergrössernKarl Bodmer, Pferderennen in der Region von Fort Pierre - Diebstahl von Pferden hatte Tradition, auch der Tausch von Kind gegen Pferd

Pferde wurden von den Spaniern in Nordamerika [vom heutigen Mexiko her] eingeführt [das damals noch das heutige Texas und Kalifornien umfasste]. Bereits 1630 kamen die ersten davon in den Besitz von Indianern. Die meisten wurden gestohlen und nur selten - manchmal gegen Kinder - eingehandelt. Die südlichen Ute und die Comanche, die als die erfolgreichsten Pferdediebe galten, tauschten die Tiere mit den nördlichen Stämmen. Um 1750 besassen die meisten Prärievölker Pferde, und seit etwa 1775 standen sie auch in den nördlichen Plains in grösseren Herden zur Verfügung.

Karl Bodmer, ein Skalptanz der Hidatsa
vergrössernKarl Bodmer, ein Skalptanz der Hidatsa mit der Tötung zweier Pferdediebe, die sich haben erwischen lassen

Pferderaub war eine beliebte Mutprobe, bei der man zu hohen Ehren kommen konnte - wurde man aber dabei erwischt, verlor man seinen Skalp und meistens auch das Leben. Hier in Fort Clark wurden zwei Pferdediebe der Assiniboin getötet. An einer langen Rute befestigte die Frau des Häuptlings eine tote Elster und den Skalp des von ihrem Mann erschlagenen Pferdediebes. Den zweiten Skalp trug eine andere Frau. Sobald die Hidatsa mit ihren schwarzgefärbten Gesichtern ihre Trommel schlugen und die Rasseln schüttelten, begannen die Frauen mit den Männern zu singen und zu tanzen.

Wie schon während der ganzen Forschungsfahrt entstanden zahllose Zeichnungen und Aquarelle, eindrucksvolle Landschafts- und Genrebilder, Illustrationen von Tänzen und Ritualen, Studien von Pflanzen und Tieren, Skizzen nach Waffen und Werkzeugen, vor allem aber prägnante Porträts und Gruppendarstellungen von Indianerinnen und Indianern. Nach einem aussergewöhnlich harten Winter - in dessen Verlauf sich auch Prinz Maximilian zeitweise von Maismehl und Biskuits ernähren musste - machte man sich im April 1834 auf die Heimreise: mit Kisten voller Kleider, Geräte, Pflanzen, Mineralien sowie mit wertvollen Kult- und Kunstgegenständen, die man gesammelt und von den Indianern im Tausch oder als Geschenke erhalten hatte.

[Rückfahrt und Ausstellung der Gegenstände der Mandan und Hidatsa - Bildatlas mit Bodmers Bildern]

Obwohl ein Teil dieser kostbaren Fracht bei einem Schiffsbrand verlorenging, blieb die Ausbeute dieser Forschungsfahrt immer noch umfangreich. Im fürstlichen Schloss zu Neuwied, in das man am 25. August 1834 zurückgekehrt war, wurde das vielfältige Reisegut dann näher gesichtet und geordnet und von Prinz Maximilian nach und nach systematisch untersucht und klassifiziert. Heute befinden sich die meisten dieser Objekte - mit Ausnahme der naturkundlichen Materialien [Pflanzen und Samen] - in den Amerikaabteilungen des Völkerkundemuseums in Berlin und des Linden-Museums in Stuttgart.

Der umfangreiche Expeditionsbericht, den der Prinz unter dem Titel "Reise in das Innere Nord-Amerika in den Jahren 1832-1834" verfasst hatte, wurde zwischen 1839 und 1844 nacheinander in deutschen, französischen und englischen Ausgaben veröffentlicht, versehen mit Illustrationen Bodmers (S.10).

Ergänzt wurde diese zweibändige Publikation durch einen Bildatlas mit Bodmers inzwischen so berühmten und begehrten kolorierten Kupferstichen, an deren Herstellung neben den drei Zürcher Graveuren Beyer, Hürlimann und Weber auch französische und englische Spezialisten beteiligt waren.

[Bodmers Bilder werden 1959 nach New York versteigert, samt Maximilians Reisetagebüchern und Druckplatten - Museum in Omaha - Nachlass in Newberry Library in Chicago]

Nach dem Aufkommen der Fotografie gerieten die Bilder von Bodmers Amerikareise mehr und mehr in Vergessenheit, bis ihre Originale 1948 bei Forschungen in der Neuwieder Schlossbibliothek von dem deutschen Anthropologen Josef Röder wiederentdeckt wurden. 1959 erwarben die New Yorker Kunsthändler M. Knoedler & Company die gesamte fürstliche Sammlung, eingeschossen Maximilians Reisetagebücher und die Originaldruckplatten von Bodmers Zeichnungen. Seit 1986 ist die Sammlung Eigentum des Joslyn Art Museum in Omaha. Eine kleinere Auswahl von ungefähr vierzig Skizzen und Aquarellen befindet sich in der Newberry Library in Chicago und stammt aus der Versteigerung von Bodmers Nachlass nach seinem Tod in Paris.

[Kupferstiche]

Neben den heute sehr seltenen vollständig erhaltenen Originalausgaben von Bodmers Bildatlas, die im Besitz weniger europäischer und nordamerikanischer Museen und Sammlungen sind, gibt es  verschiedene Folgen von Bodmers Indianerdarstellungen, die von unterschiedlichen Vorlagen der Originalausgabe stammen. Auch das Indianermuseum der Stadt Zürich hat eine wertvolle Kollektion von solchen vollkolorierten Kupferstichen.

Unter dem Titel "Bodmer's America" ist im Londoner Verlag Alecto Historical Editions 1991 eine limitierte Neuauflage von 81 Kupferstichen Karl Bodmers erschienen, die in Europa von der Knobel Art Collections in Zug (Schweiz) vertrieben wird. Die 125 nummerierten Abzüge dieser Neuedition stammen von den Originaldruckplatten und wurden nach Bodmers ursprünglichen Vorlagen handkoloriert.

"Ich muss sehr bezweifeln", schrieb Prinz Maximilian nach seiner Rückkehr über Karl Bodmers Arbeiten, "ob je eine Sammlung von Porträts und Trachten gemacht worden ist wie die von Herrn Bodmer, wenigstens existiert nichts Ähnliches über Nordamerika, und die Bilder sind meistens sprechend ähnlich."

Bodmer hat Europa nie wieder verlassen. Bald zog er ins idyllische Barbizon in der Nähe von Fontainebleau und schloss sich der dort ansässigen Gruppe von Künstlern an, die später unter dem Namen "Schule von Barbizon" bekannt und erfolgreich wurde und in ihrer Malerei einen Stil der intimen Landschaft pflegte. Neben Aquarellen und Landschaftsgemälden schuf Bodmer in der folgenden Zeit vor allem Radierungen mit Pflanzen- und Tiermotiven, die er zum Teil an Zeitungen und Zeitschriften verkauften. Daneben arbeitete er auch für Buchverlage und illustrierte Werke wie die Fabeln La Fontaines und Victor Hugos "Quatre-vingt-treize".

[Letzte Jahre in Paris - Tod 1893]

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Bodmer mit seiner Frau in einer kleinen Wohnung am Place Denfert Rochereau 24 in Paris, wo er am 30. Oktober 1893 starb - weitgehend vergessen und verarmt. (S.11)


<<         >>






Fotoquellen
[1] Prinz Maximilian zu Wied-Neuwied, Portrait: http://de.wikipedia.org/wiki/Maximilian_zu_Wied-Neuwied
[2] Karl Bodmer, Profil 1877: http://www.valdosta.edu/~mgnoll/Karl%20Bodmer/Karl_Bodmer.htm


^