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Museum der Primärnationen (Nordamerika Native Museum, "Indianermuseum") Zürich

2. Entwicklung der Primärnationen vor und ab der Konfrontation mit dem weissen Imperialisten mit Rassisten-Bibel und Börse

Karte Nord-"Amerikas" mit der Einteilung
                in verschiedene Kulturlandschaften der Primärnationen
                ("Indianer")  [4]

präsentiert von Michael Palomino (2012)

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aus:
Prestel-Museumsführer, Text von Denise Daenzer und Tina Wodiunig: Indianermuseum der Stadt Zürich; Prestel-Verlag; München, New York 1996; gefördert durch die Cassinelli-Vogel-Stiftung, Zürich, MIGROS Kulturprozent, Volkart-Stiftung, Winterthur; ISBN 3-7913-1635-4


<Kulturvielfalt und Kulturverlust

[Die verschiedenen geographischen und klimatischen Bedingungen]

Die Kultur der nordamerikanischen Indianer [Primärnationen] hat weder gleichförmige Inhalte noch einheitliche Formen. Ähnlich wie sich in Europa zwischen dem Nordkap und Sizilien nach und nach verschiedene Lebens- und Ausdrucksweisen herausgebildet haben, sind auch die nordamerikanischen Indianerkulturen in ihrem Gehalt und ihrer Gestalt von sehr unterschiedlicher Ausprägung. Das hat mit den kontrastreichen topographischen, klimatischen und wirtschaftlichen Existenzbedingungen der indianischen Völker zwischen dem arktischen Norden und den südlichen Wüstengebieten zu tun, aber auch mit den vielgestaltigen geschichtlichen Prozessen, von denen das indianische Leben bestimmt wurde. Um diesen verschiedenartigen Einflüssen Rechnung zu tragen, unterscheidet die Ethnologie auf dem nordamerikanischen Kontinent heute zehn Regionen: Arktis, Subarktis, Nordwestküste, Kalifornien, Südwesten, Grosses Becken, Plateau, Prärien und Plains, Südosten und Nordosten.

Karte Nord-"Amerikas" mit der Einteilung
                in verschiedene Kulturlandschaften der Primärnationen
                ("Indianer")
vergrössernKarte Nord-"Amerikas" mit der Einteilung in verschiedene Kulturlandschaften der Primärnationen ("Indianer")
1. Südosten - 2. Südwesten - 3. Prärie und Plains - 4. Grosses Becken - 5. Kalifornien - 6. Nordwestküste -
7. Plateau - 8. Nordosten - 9. Subarktische Region - 10. Arktische Region [4]


Auch bei der Museumsarbeit geht es immer wieder darum, die vielfältigen Lebens- und Gestaltungsformen dieser Kulturlandschaften sichtbar und auch spürbar zu machen, ihren Entwicklungen nachzugehen, ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu erkunden. Eine der wichtigsten Gemeinsamkeiten nordamerikanischer Kulturen ist ihr pragmatisches Verhältnis zum künstlerischen Schaffen, wobei das Wort "Kunst" bezeichnenderweise in keiner indianischen Sprache vorkommt. Denn die "Kunst" dieser Gesellschaften diente - zumindest in vorkolumbianischen Zeiten - stets einem konkreten Zweck. Eine "l'art pour l'art" [Kunst nur der Kunst wegen] gab es damals nicht. Darüber hinaus hatten und haben indianische Gebrauchsgegenstände neben ihrer funktionalen Zweckbestimmung oft gleichzeitig eine Bedeutung sozialer und religiöser Art. So sind handwerkliche Tätigkeiten häufig von rituellen Handlungen begleitet oder setzen sogar eine spirituelle Berufung voraus - was zum Beispiel auch für die Arbeit des Jägers gilt. Das liegt in der Vorstellung begründet, dass für bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten Voraussetzungen notwendig sind, die man in sich trägt und nicht ohne weiteres erlernen kann.

[Die Kulturveränderungen durch den weissen Imperialisten]

Mit dem Vorrücken der Weissen sind die indianischen Kulturen zum Teil verdrängt, vernichtet oder stark verändert worden. Vor allem auch durch bisher unbekannte Materialien wie Metalle, Glasperlen oder farbige Stoffe, aber auch durch neue Werkzeuge und Arbeitstechniken, die man von den Weissen (S.6) übernommen hat, wandelten sich die Gestaltungsformen in vielen Handwerks- und Lebensbereichen. Charakteristisch dafür ist die Entwicklung der Silberschmiedekunst bei den Navajo und Zuñi sowie der Übergang von den alten Quillworktechniken (vgl. S. 85-93) zur Perlenstickerei, die erst durch die Einfuhr europäischer Glasperlen [aus Europa] möglich wurde. Obwohl sich dabei die klassischen Ornamente der Quilltradition mehr und mehr mit europäischen Mustern vermischt haben, wird heute gerade die Perlenstickerei als "typisch indianisch" gehandelt.

Dieser Wandel ist nicht zuletzt eine Folge der stetig steigenden Nachfrage nach altem und neuem indianischen Kunsthandwerk - sowohl für den touristischen Binnenmarkt als auch für den internationalen Export. Diese wiederum hat dazu beigetragen, dass neben dem legalen Markt ein immer umfangreicherer illegaler Handel mit indianischen Kulturgütern entstanden ist. Auf der anderen Seite führte das erstarkte Selbstbewusstsein einer neuen Generation von Indianerinnen und Indianern zu immer entschiedeneren Forderungen nach der Rückgabe von Sammlungsobjekten an die Vertreter der Herkunftskulturen. In diesem Zusammenhang müssen sich viele ethnographische Museen - auch das Zürcher Indianermuseum - sowohl mit dem Problem der Rechtmässigkeit ihres Eigentums auseinandersetzen als auch mit der Grundsatzfrage: wem gehört die Vergangenheit? Dabei geht es nicht nur um das Ermitteln der Umstände, welche die Museen in den Besitz ihrer Sammlungen gebracht haben, sondern vor allem auch um die Frage, was für ein Verhältnis wir zu den Dingen haben, die wir besitzen oder die uns vorübergehend anvertraut sind.

[Man macht einfach Kopien und das Original geht an die Stämme zurück].

Ein anderes Thema, mit dem es sich auseinanderzusetzen gilt, ist die Frage nach dem Wertwandel und "Kulturverlust", den ein Gegenstand dadurch erfährt, dass er aus seinem ursprünglichen Lebenszusammenhang herausgenommen und in die Vitrine eines Museums verfrachtet wurde. Diese Frage nach dem einstigen Sinn und Zweck des ausgestellten Objekts, nach den Hintergründen seiner Oberfläche, nach seinen früheren materiellen, ästhetischen, emotionalen, sozialen oder auch religiösen und mythischen Bezügen und Bedeutungen, die sich vielleicht im Laufe der Zeit verändert haben oder vergessen worden sind - diese Fragen muss das Museum immer wieder neu formulieren und zu beantworten suchen.

Denise Daenzer, Tina Wodiunig> (S.7)


[Die im Museumsführer erwähnten Primärnationen sind:

Primärnation der Bella Coola: Schnitzerei
Primärnation der Blackfoot: Federschmuck
Primärnation der Cheyenne: Perlenstickerei
Primärnation der Dakota: Quillflechterei / Federschmuck / Tabakpfeifen
Primärnation der Delaware: Quillflechterei
Primärnation der Haida: Schnitzerei
Primärnation der Hopi: Flechterei / Töpferei / Kachina-Puppen
Primärnation der Hupa: Flechterei
Primärnation der Huronen: Tabakpfeifen
Primärnation der Irokesen: Perlenstickerei
Primärnation der Kwakiutl: Schnitzerei
Primärnation der Lakota: Federschmuck
Primärnation der Makah: Flechterei
Primärnation der Micmac: Quillflechterei
Primärnation der Mound: Tabakpfeifen
Primärnation der Navajo: Schmuck mit Silberschmuck und Türkissteinen
Primärnation der Nootka: Flechterei / Schnitzerei
Primärnation der Pawnee: Federschmuck
Primärnation der Pima: Flechterei
Primärnation der Ojibwa: Quillflechterei und Perlenstickerei
Primärnation der Oglala: Quillflechterei und Perlenstickerei / Federn / Tabakpfeifen
Primärnation der Pueblos in San Ildefonso: Töpferei
Primärnation der Pueblos in Acoma: Töpferei
Primärnation der Seneca: Quillflechterei / Federschmuck / Tabakpfeifen
Primärnation der Sioux: Quillflechterei und Perlenstickerei / Federschmuck / Tabakpfeifen
Primärnation der Santée: Quillflechterei
Primärnation der Teton Sioux: Quillflechterei
Primärnation der Slave: Quillflechterei
Primärnation der San Carlos Apachen: Flechterei
Primärnation der Tlingit: Hornschnitzerei / normale Holzschnitzerei
Primärnation der Tsimshian: Schnitzerei
Primärnation der Zuñi: Schmuck mit Silberschmuck und Türkissteinen]

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